Wir leben in einer Welt, die sich konstant verändert und sich unaufhaltsam in Richtung Automatisierung bewegt. Maschinen, Algorithmen und Künstliche Intelligenz sind inzwischen in beinahe jedem Bereich unseres Lebens präsent. Das Ziel der Automatisierung ist es, Menschen das Leben zu erleichtern, Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten sowie Ressourcen effektiver und nachhaltiger einzusetzen – alles Vorteile, die man nicht bestreiten kann. Allerdings stellt sich bei all den positiven Aspekten der Automatisierung eine grundlegende Frage: Geht dabei nicht das Menschliche verloren?
Diese Frage ist keineswegs unberechtigt, denn obwohl Automatisierung zu einer Effizienzsteigerung sowie zu Zeit- und Kostenersparnissen führen kann, sind Sorgen, inwiefern sie zwischenmenschliche Beziehungen und Interaktionen beeinflussen kann, nicht unbegründet. In der Medizin gibt es beispielsweise Algorithmen, die bei der Diagnose von Krankheiten helfen können. Doch ob es der Technologie jemals möglich sein wird, Ärzte mit ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer Empathie sowie die menschliche Berührung an sich zu ersetzen, bleibt fraglich.
Automatisierung in der Übersetzungsbranche
Ein Bereich, der sehr stark von der Automatisierung und technologischen Fortschritten betroffen ist, ist die Übersetzungsbranche. Vor allem die mittlerweile nicht mehr wegzudenkende maschinelle Übersetzung hat für einen bedeutenden Wandel gesorgt. Die maschinelle Übersetzung entwickelt sich immer weiter, wodurch sie immer schneller immer präzisere und bessere Ergebnisse liefert. Mittlerweile kann die Maschine in kürzester Zeit große Mengen an Text übersetzen. Braucht man da überhaupt noch einen Menschen, der an den Übersetzungen feilt? Wir können die Frage nur bejahen und haben gelernt, dass bei all den technologischen Neuerungen und automatisierten Prozessen der Mensch, der dabei den Überblick und die Kontrolle behält, eine nach wie vor wichtige Rolle spielt. So ist es in diesem Beispiel der maschinellen Übersetzung immer noch der menschliche Übersetzer, der im Post-Editing die Ergebnisse der Maschine überprüft, etwaige Mängel beseitigt und der Übersetzung bei kontext- und kulturspezifischen Aspekten sowie bei sprachlichen Nuancen als Experte den Feinschliff verpasst. Menschliche Übersetzer können das, was die Maschine nicht kann: sich in einen Text hineinversetzen, zwischen den Zeilen lesen, Mehrdeutigkeiten verstehen sowie Texte auf ihre kulturellen und sprachlichen Feinheiten analysieren. Auch eine sorgfältige Qualitätskontrolle der post-editierten maschinellen Übersetzungen erfolgt nach wie vor durch Menschenhand.
Doch auch abseits der maschinellen Übersetzung gibt es technologische Neuerungen, die die Prozesse und Workflows in der Übersetzungsbranche verändert haben. Durch Übersetzungsschnittstellen und API-Anbindungen können beispielsweise lästige, repetitive Arbeiten wie das manuelle Hoch- und Runterladen sowie Kopieren und Verschieben von Dateien vollständig aus der Welt geschafft werden. Aber trotz der immensen Aufwandserleichterung durch die Automatisierung braucht es auch hier Projektmanager und LE-Experten (Localization Engineering), die die Arbeit der Maschine im Blick behalten und eingreifen, wenn sie an ihre Grenzen stößt.
Harmonie zwischen Mensch und Maschine
Die Frage, die sich in Bezug auf Automatisierung stellt, ist demnach nicht, ob bei der Automatisierung das Menschliche verloren geht – viel eher sollten wir uns fragen, inwiefern sie die Menschen in ihrem Arbeitsalltag unterstützen kann und wie beide einander ergänzen können. Durch eine harmonische Zusammenarbeit können die Vorteile der Automatisierung (Zeit- und Kostenersparnis sowie gesteigerte Effizienz) mit den Fähigkeiten des Menschen (Fachkenntnisse, kulturelles Verständnis und Feingefühl) kombiniert werden, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Man könnte Automatisierung auch als ein Werkzeug zur Unterstützung menschlicher Entscheidungsprozesse betrachten. Durch die Integration von Automatisierung und menschlicher Expertise finden wir eine Balance, die es uns erlaubt, die Vorteile der Technologie zu nutzen, ohne dabei das Menschliche aus den Augen zu verlieren.
Eine ausgewogene Perspektive
In einer Diskussion zum Thema Automatisierung in der Übersetzungsbranche schwingt meist zwangsläufig die Behauptung mit, dass menschliche Übersetzer eines Tages überflüssig sein würden. Es stimmt zwar, dass die Maschine den Übersetzern gewisse Arbeiten abnehmen kann, doch wie wir bereits festgestellt haben, wird ein vollständiger Ersatz vermutlich nie möglich sein. Wir sollten uns also von Gedanken in diese Richtung nicht entmutigen lassen, sondern uns auf die positiven Auswirkungen des technologischen Fortschritts fokussieren: Die Maschine könnte die Übersetzung repetitiver Texte übernehmen, die im Post-Editing zwar durch einen Übersetzer überprüft werden, für die er aber insgesamt viel weniger Zeit aufbringen muss. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten für Übersetzer: Sie können ihre gewonnene Zeit nun für komplexere und kreativere Projekte nutzen. Es entsteht also eine Art Win-Win-Situation, in der die Stärken der Maschine und des Menschen kombiniert werden, um für bestmögliche Ergebnisse zu sorgen.
Schlussfazit
Insgesamt lässt sich nicht leugnen, dass die Automatisierung eine unaufhaltsame Kraft ist, die unser Leben und die Gesellschaft in vielen Bereichen grundlegend verändert. Doch anstatt uns davon verunsichern zu lassen, sollten wir die Automatisierung vielmehr als eine Chance, Prozesse und Workflows zu verbessern und uns als Menschen mitsamt unseren Fähigkeiten weiterzuentwickeln, betrachten. Das Ziel der Automatisierung ist es nicht, das Menschliche vollständig zu verdrängen. Sie sollte viel eher den Menschen dabei helfen, die Herausforderungen der Zeit zu bewältigen – und in einer harmonischen Zusammenarbeit sollte uns das auch gut gelingen.
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