Prozessoptimierung

Die Möglichkeiten und Grenzen von ChatGPT in der Übersetzungsbranche

ChatGPT App Oberfläche wird auf einem Handydisplay angezeigt

Die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind dabei, die Landschaft der Übersetzungsbranche grundlegend zu verändern. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT wurde eine Diskussion über seine Anwendungsmöglichkeiten und sein Potenzial für den Übersetzungsbereich entfaltet. Und diese Anwendungsbereiche sind vielfältig – doch auch ChatGPT gerät an seine Grenzen, wodurch geschulte Fachübersetzer und Post-Editoren nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Lokalisierungsprozesses sind. Tauchen Sie ein in die Welt der faszinierenden KI und erfahren Sie mehr über diese Balance zwischen Mensch und Maschine. 

Beinahe jeder kennt mittlerweile ChatGPTdie KI-Systemart, die im Jahr 2022 von der US-Organisation OpenAI veröffentlicht und der breiten Masse zugänglich gemacht wurde und seitdem für viel Gesprächsstoff sorgt. Wahrscheinlich sind die meisten bereits mit ChatGPT in Berührung gekommen, sei es, um es aktiv zur Textgenerierung zu nutzen (z. B. um eine schnelle Zusammenfassung für einen langen, akademischen Text zu erhalten) oder einfach nur, um auszuprobieren, was die KI denn nun alles kann. Mehr als 100 Mio. Menschen verwenden ChatGPT pro Monat, Tendenz steigend.

Was ist ChatGPT?

ChatGPT ist ein Chatbot, der auf Künstlicher Intelligenz basiert. Er kann sowohl Fragen beantworten als auch Anweisungen befolgen und geht mit dem Nutzer eine direkte, interaktive Kommunikation ein. So könnte man ihn beispielsweise nach der meistgesprochenen Sprache in Kanada fragen, ihn aber auch bitten, gleich ein Gedicht mit vier Versen darüber zu verfassen. Das würde dann wie folgt aussehen:

 

2024-01 MCC 221 ChatGPT Screenshot

 

Mit ChatGPT kann man ein Gespräch über beinahe jedes Thema führen. Je konkreter man seine Aussagen bzw. Anweisungen formuliert, desto spezifischer werden auch ChatGPTs Antworten, die so natürlich klingen, als stammten sie von einem Menschen. 

Wie funktioniert ChatGPT? 

GPT steht für „Generative Pretrained Transformer“ – dabei handelt es sich um ein Sprachmodell, das auf Machine Learning basiert. Durch sogenanntes Deep Learning wurde ChatGPT mit riesigen Mengen an Textdaten aus dem Internet trainiert, um die Muster und Strukturen der natürlichen Sprache zu erlernen. So ist es ChatGPT möglich, Texte zu verfassen, die aus syntaktischer Sicht kaum von Texten, die von Menschen verfasst wurden, zu unterscheiden sind. Da ChatGPT ein „generatives“ Sprachmodell ist, generiert es selbstständig Texte, indem es das wahrscheinlich nächste Wort in einer Sprachsequenz vorhersagt. 

Wofür kann ChatGPT verwendet werden? 

  • Beantworten von Fragen: Man kann ChatGPT Fragen zu den verschiedensten Themen stellen und erhält  innerhalb weniger Sekunden eine Antwort. Es entsteht dadurch ein Dialog zwischen Nutzer und Chatbot, in dem ChatGPT auch auf Informationen zurückgreifen kann, die zu einem früheren Zeitpunkt im Chat aufkamen. Hierbei ist aber wichtig, dass die Informationen im aktiven Chat vorgekommen sind und nicht in einem anderen. 
  • Erstellen von Zusammenfassungen: ChatGPT kann Texte – egal ob lang oder kurz – in kürzester Zeit zusammenfassen und dabei prägnant die wichtigsten Informationen herausfiltern. Man kann der Software auch vorschreiben, wie viele Sätze, Wörter oder Zeichen die Zusammenfassung maximal haben soll. 
  • Umwandeln von natürlicher Sprache in Programmiercode: ChatGPT ist auch in der Lage, sprachliche Umschreibungen von Algorithmen in echten Programmiercode umzuwandeln. Unterstützt werden beispielsweise die Programmiersprachen SQL oder Python. 
  • Verfassen von Marketingtexten: ChatGPT kann auch verwendet werden, um kurze Produktbeschreibungen in ansprechende Marketingtexte zu verwandeln. Außerdem kann ChatGPT Metabeschreibungen und Alt-Texte verfassen und auch Captions für Social-Media-Posts erstellen – inklusive Emojis und Hashtags.

Ist ChatGPT für Übersetzungen geeignet? 

ChatGPT wurde – anders als neuronale Übersetzungssysteme wie DeepL oder Google Translate – nicht für den Übersetzungszweck entwickelt. Allerdings kann es dennoch Texte übersetzen, wenn man ihm die Anweisung dazu gibt. Nun stellt sich an dieser Stelle aber die Frage nach der Qualität der von ChatGPT angefertigten Übersetzungen. Hier haben wir als allererstes bei der Quelle selbst nachgeforscht und ChatGPT um eine Einschätzung zu seinen Übersetzungsfähigkeiten gebeten: 

„ChatGPT kann für Übersetzungen verwendet werden und liefert oft akzeptable Ergebnisse. Es ist wichtig zu beachten, dass seine Fähigkeit, präzise Übersetzungen zu liefern, von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich der Komplexität des Textes, des Kontexts und der Sprachpaare. Während es für allgemeine Übersetzungen und den alltäglichen Gebrauch nützlich sein kann, ist es möglicherweise nicht immer die beste Wahl für spezialisierte oder hochtechnische Übersetzungen. 

Zur Erzielung genauerer Ergebnisse ist es oft ratsam, maschinell generierte Übersetzungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, insbesondere wenn es um komplexe oder fachspezifische Texte geht. Es wird empfohlen, dass kritische Übersetzungen von Fachleuten oder spezialisierten Übersetzungssoftware durchgeführt werden, um eine höhere Genauigkeit und Qualität zu gewährleisten.“

ChatGPT hat also eine sehr realistische und kritische Meinung zu seinen eigenen Übersetzungsfähigkeiten. Es gibt an, akzeptable Übersetzungsergebnisse liefern zu können, betont aber auch, dass die Qualität dieser sehr von verschiedensten Faktoren abhängen kann, wie z. B. von der gewünschten Sprachkombination und der Komplexität des Ausgangstextes. Weiters erwähnt es, dass es ratsam sei, ein anschließendes Post-Editing durchführen oder die Übersetzung direkt von einem geschulten Fachübersetzer anfertigen zu lassen. Hier deckt sich ChatGPTs Meinung also mit MEINRADs Meinung, dass die Ergebnisse von maschineller Übersetzung immer von einem Post-Editor überprüft werden sollten. 

 

Auch wenn ChatGPT (zumindest zum momentanen Zeitpunkt) nicht die erste Wahl für maschinelle Übersetzungen an sich ist, hat es dennoch Potenzial dafür, im Texterstellungs- und Übersetzungsprozess zu unterstützen. Im Konkreten kann ChatGPT bei den folgenden Aspekten helfen:  

  • Analysieren des Ausgangstextes: Man kann ChatGPT darum bitten, einen Ausgangstext auf schwer verständliche bzw. umständlich verfasste Textstellen zu analysieren und diese gegebenenfalls direkt umzuschreiben. 
  • Editieren des maschinellen Outputs: ChatGPT kann bereits (maschinell) übersetzte Texte ein wenig umformulieren, wenn man mit dem Output nicht vollkommen zufrieden ist. Allerdings sollte man dieses Editieren nicht mit der Arbeit eines professionellen Post-Editors vergleichen, die gerade bei langen Texten mit viel Fachvokabular zu bevorzugen ist. 
  • Vorschlagen von Glossareinträgen: Weiters kann man ChatGPT darum bitten, Vorschläge für Glossareinträge auf Basis einen Textes zu machen. Das kann vor allem dann hilfreich sein, wenn man gerne eine Termdatenbank erstellen oder auffüllen möchte, aber noch keine Terminologieliste dafür hat. 

Worauf muss man bei der Verwendung von ChatGPT für Übersetzungen achten? 

  • Datensicherheit: Prinzipiell wurde ChatGPT nach Aussagen von OpenAI dahingehend trainiert, dass es sensible Informationen anonymisiert oder verschlüsselt, um Datenschutz zu gewährleisten. Allerdings werden die Informationen und Daten, die in einem Chat angegeben werden, für weitere Trainingszwecke gespeichert. Deswegen sollte man – so wie bei anderen (kostenlosen) MT-Engines – möglichst keine vertraulichen Informationen eingeben, um die Sicherheit der Daten zu erhöhen. 
  • Überprüfen der Fakten: ChatGPT wurde mit einer Vielzahl an Quellen und Informationen aus dem Internet gefüttert, und genau auf diese Quellen bezieht es sich auch, wenn es  Fragen beantwortet oder Übersetzungen anfertigt. Deswegen ist es wichtig, die Übersetzungen von ChatGPT anschließend auf die Echtheit der Informationen zu überprüfen. Gerade bei technischen Texten ist dies besonders wichtig – aber hier hat ChatGPT auch selbst zugegeben, dass ein anschließendes Post-Editing empfohlen wird. 
  • Stil der Übersetzung: Da ChatGPT als generatives Sprachmodell Texte suggeriert, sind seine Übersetzungsvorschläge meist recht simpel formuliert und seine Wortwahl einfach gehalten. Das liegt daran, dass es seinen Output anhand des Materials, mit dem es trainiert wurde und auf das es zurückgreift, formuliert. All das fällt bei kurzen, allgemeinen Texten nicht so stark auf. Doch bei längeren, komplexeren Texten merkt man schnell, dass sich die Übersetzungen von ChatGPT etwas abgehackt lesen. 

In Anbetracht der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT im Texterstellungs- und Übersetzungsprozess offenbart sich eine interessante Dynamik. ChatGPT hat zwar seine Grenzen in der maschinellen Übersetzung (und erkennt diese auch), eröffnet aber durch seine unterschiedlichen Anwendungsbereiche neue Perspektiven in der Übersetzungsbranche und kann –  richtig eingesetzt –  dafür sorgen, dass Prozesse effektiver und effizienter gestalten werden. Dennoch bleibt eine Tatsache erhalten: Das Hinzuziehen von Fachübersetzern wird auch in Zukunft unabdingbar bleiben. 

 

 

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Titelbild © Adobe Stock

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