Als Technischer Redakteur beziehungsweise Content Creator haben Sie Ihr Schicksal gewissermaßen selbst in der Hand – oder besser gesagt das Ihrer Texte. Ob diese für eine maschinelle (Vor-)Übersetzung mit anschließendem Post-Editing geeignet sind, kann durch vorausschauendes Verfassen beeinflusst werden. Wir möchten Ihnen dafür einige Tipps geben.
Die Qualität einer Übersetzung hängt maßgeblich von der Qualität des Ausgangstextes ab. Das trifft besonders dann zu, wenn Machine Translation zum Einsatz kommen soll. Denn: Die Maschine kann – anders als ein Mensch – nicht zwischen den Zeilen lesen und „mitdenken“. Viele Fehler und Mehrdeutigkeiten, die ein menschlicher Fachübersetzer ganz selbstverständlich im Ausgangstext bemerkt und in der Übersetzung entsprechend berücksichtigt, sind für künstliche Intelligenz ein Stolperstein. Die Folge: sinnfreie und/oder falsche Übersetzungen sowie ein (zu) hoher Aufwand für den Post-Editor.
Einschränkungen von Machine Translation
Berücksichtigt man die Grenzen und „Eigenheiten“ der maschinellen Übersetzungstools nicht, wird das Ergebnis also möglicherweise nicht zufriedenstellend sein. Künstliche Intelligenz kann einige Textsorten nicht richtig verarbeiten. Das betrifft besonders jene, bei denen kulturelle Bezüge oder emotionale und stilistische Faktoren eine Rolle spielen. Klassische Beispiele sind Werbe- und Marketingtexte, aber auch technische Texte sind nicht automatisch immer für die maschinelle Übersetzung geeignet. Gibt es wenig Kontext, Mehrdeutigkeiten oder lange und verschachtelte Sätze sowie viele Fachtermine, so ist ein Scheitern der Maschine – zumindest bei diesen Sätzen – fast vorprogrammiert. Auch Syntax- und Rechtschreibfehler wirken sich negativ auf die maschinelle Übersetzung aus.
In weiterer Folge hat der Post-Editor einen (zu) hohen Aufwand bei der Nachbearbeitung der Übersetzung, sodass der Einsatz des Workflows Machine Translation und Full Post-Editing nicht mehr gerechtfertigt ist. Die gute Nachricht ist: Sie haben es (zum Großteil) selbst in der Hand, ob Ihre Texte für Machine Translation geeignet sind oder nicht.
Vorausschauend Schreiben: Denken Sie „MT“
Je besser, fehlerfreier und eindeutiger ein Text geschrieben ist, umso eher eignet er sich für die maschinelle (Vor-)Übersetzung und desto eher kann man vom Einsatz von Machine Translation und Post-Editing profitieren. In der Technischen Redaktion ist das Schreiben in einfacher Sprache am Vormarsch. Das kommt nicht nur den Anwendern in der Erstellungssprache zugute, sondern auch den Übersetzungen – sowohl Humanübersetzungen als auch jenen, die mit dem Workflow Machine Translation und Full Post-Editing erzeugt wurden.
So nicht – Tipps für MT gerechtes Schreiben
Wer die Vorteile von MT nutzen möchte, sollte sich der Algorithmen der maschinellen Übersetzungssysteme beim Schreiben bewusst sein. Konkret sollten Sie beim Erstellen Ihres Contents neben der Vermeidung von Tipp- und Rechtschreibfehlern auf folgende Punkte achten:
Tipp 1: Kurze Sätze, aber keine kontextlosen Phrasen oder Wörter verwenden
Übersetzungstools haben Schwierigkeiten mit langen, verschachtelten Sätzen. Da sie die Zusammenhänge nicht erkennen, liefern sie unter Umständen einfach falsche Aussagen. Sinnbildlich gesprochen kann so der Täter ganz leicht zum Opfer werden. Idealerweise sollten einfache Sätze (mit nicht mehr als 25-30 Wörtern) mit wenigen Einschüben oder Nebensätzen verwendet werden. Machen Sie also einfach einmal einen Punkt und teilen Sie zu lange Sätze in mehrere kurze auf. Eine klare Wortfolge ist ebenso hilfreich.
Andererseits ist zu kurz auch nicht gut. Kontextlose Listen (wie GUI-Texte) sind echte Stolperfallen für Maschine-Translation-Tools. Ohne Kontext wird beispielsweise aus dem Englischen „Table“ meist eine „Tabelle“ statt eines „Tisches“.
Tipp 2: Eindeutig bleiben und auf Kreativität verzichten
Aus dem obigen „Tabelle-Tisch-Dilemma“ ergibt sich der nächste Tipp: Wörter, die mehrere Bedeutungen haben, sollten vermieden werden. „Füttert“ man die Maschine mit Wörtern, die mehrere Bedeutungen haben können, „entscheidet“ sie sich für eine Variante – oft für die falsche, auch wenn es sich um ganze Sätze mit Kontext handelt.
Diese Gefahr besteht auch, wenn man einen Variantenreichtum an Synonymen im Ausgangstext verwendet. Auch wenn im Deutschunterricht Wortwiederholungen in Aufsätzen verpönt sind: Beim-MT gerechten Schreiben sollte man darauf zurückgreifen. Gleiches sollte gleich bleiben.
Eindeutig bleiben sollte man aber auch ganzheitlich betrachtet: Es sollte im gesamten Text immer klar sein, was von wem getan werden muss. Sätze ohne Verben sind daher ebenfalls ein No-Go.
Tipp 3: Pronomen, Passivkonstruktionen, Verneinungen und Abkürzungen vermeiden
Mit Pronomen, Passivkonstruktionen, Verneinungen und Abkürzungen tut sich die Maschine ebenfalls schwer.
Bei Pronomen „weiß“ die Engine nicht, dass Sie damit den im vorigen Satz verwendeten „Messapparat“ meinen. Das geht beim Übersetzen vielleicht so lange gut, bis das Geschlecht in der Fremdsprache abweicht. Ein Wort, das im Deutschen das grammatikalische Geschlecht „maskulin“ hat, kann in der Fremdsprache weiblich sein und den entsprechenden Artikel und andere Verbformen verlangen. Und schon ist die Maschine am falschen Dampfer, wenn da „Er muss abgeschaltet werden“ stünde. Abkürzungen – vor allem wenn sie nicht allgemein bekannt sind – sollten ebenfalls tunlichst vermieden werden, da die Maschine sie nicht richtig übersetzen würde. Gleiches gilt auch für Wörter in Großbuchstaben.
Tipp 4: Aufzählungen
Sowohl für den Leser des Ausgangstextes als auch für die Maschine sind Sätze, die von einer Aufzählungsliste unterbrochen sind, schwer zu erfassen. Während der Mensch solche Sätze wohl mehrmals liest, um ihn zu verstehen, übersetzt ihn die Maschine einfach – und das meist falsch.
Tipp 5: Layout
MT-gerecht zu schreiben bedeutet auch, den Ausgangstext so zu strukturieren, dass die verwendete Software die Sinnzusammenhänge des Texts erkennen kann. Formatierungen über Tabstopps und Leerzeichen zu realisieren ist ebenso wenig empfehlenswert wie Zeilenumbrüche mitten in einem Satz zu verwenden. Besonders, wenn Ihr Dokument eine konvertierte pdf-Datei ist, sollten Sie das Layout bereinigen, bevor Sie es an das Übersetzungsbüro schicken.
Tipp 6: Text auf Tipp-, Rechtschreib- und Grammatikfehler überprüfen
Zu guter Letzt: Vergewissern Sie sich, dass die Zeichensetzung innerhalb des erstellten Dokuments einheitlich und korrekt ist sowie die Groß- und Kleinschreibung adäquat umgesetzt wurde. Die Maschine ist nicht in der Lage, diese Fehler zu interpretieren und zu korrigieren, wie es das menschliche Auge tut – oft ganz unbewusst und automatisch.
Fazit
Die Maschine liefert nur dann gute und brauchbare Übersetzungsergebnisse, wenn sie gut aufbereitetes Textmaterial bekommt. Nur dann hält sich der Aufwand für den Post-Editor in vertretbaren Grenzen, und die erhofften Kosten- und Zeitvorteile lassen sich durch den Einsatz von Machine Translation tatsächlich erzielen. Sie sollten Ihre Texte idealerweise also schon MT-gerecht erstellen. Sollte beim Verfassen jedoch noch nicht an die Grenzen von Machine Translation gedacht worden sein, ist es im Nachhinein immer noch möglich, den zu übersetzenden Text zu überarbeiten, d. h. ihn zu korrigieren und anzupassen. Dieser Vorgang wird als Pre-Editing bezeichnet. Auch das kann sich lohnen!
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