Übersetzungseinkauf

Life-Sciences-Übersetzungen und die Lokalisierungsbranche – Mark Shriner von memoQ im Interview

Mark Shriner lächelt mit verschränken Armen

Wir haben uns mit Mark Shriner, Leiter von Strategic Sales bei memoQ und Host des memoQ-talks-Podcasts, unterhalten. Durch jahrelange Erfahrung und zahlreiche Gespräche mit Unternehmen im Life-Sciences-Bereich ist Mark wahrlich ein Experte für medizintechnische Übersetzungen und konzentriert sich darauf, die Position von memoQ in den regulierten Branchen der Life Sciences und Finanzdienstleistungen auszubauen. Wir haben mit ihm über sein Arbeitsumfeld, die größten Herausforderungen bei medizintechnischen Übersetzungen und darüber, was die Zukunft für die Übersetzungsbranche bereithält, gesprochen.

Erzählen Sie uns ein bisschen was über sich. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? 

Ich kam Anfang 2021 als Director of Strategic Sales zu memoQ und war die erste Person in dieser Rolle. Seit 2008 habe ich in den unterschiedlichsten Positionen in der Lokalisierungsbranche gearbeitet. Ich schätze das hohe Maß an Selbständigkeit und die Unterstützung, die mir bei memoQ geboten werden, sehr. Allerdings muss ich ständig nach Wegen suchen, um noch effizienter zu sein, und Möglichkeiten finden, um der Localization Community einen Mehrwert zu bieten. 

Sie sind auch Co-Moderator des Podcasts memoQ talks, in dem Sie mit Branchenführenden über Best Practices und die wichtigsten Erkenntnisse in allen Lokalisierungsbereichen sprechen. Was waren die spannendsten Themen, die im Rahmen dieser Tätigkeit aufkamen? 

Erst kürzlich habe ich im Rahmen von memoQ talks mit Fachexperten gesprochen und einen “memoQ Life Sciences Round Table” zum Thema linguistische Validierung (LV) moderiert. LV ist ein wichtiges Verfahren, das von Life-Sciences-Unternehmen eingesetzt wird, um sicherzustellen, dass die Übersetzung bestimmter Inhalte, einschließlich der von Patienten berichteten Ergebnisse (Patient-reported outcomes, PROs), sprachlich korrekt, lesbar und für die Zielgruppe verständlich ist. Dieser Prozess regelt sowohl die Übersetzung von Inhalten, die für klinische Studien verwendet werden, als auch von den Daten, die im Rahmen dieser Studien erhoben werden. Während des Podcasts und der Diskussion sprachen wir über die neuersten Technologietrends, Schulungen und Best Practices für LV-Dienstleister. 

Können Sie uns mehr über den LV-Prozess erzählen? 

Nun, Dokumente, die für die kognitive Nachbesprechung verwendet werden, müssen genau so übersetzt werden, dass auch Laien in der Zielgruppe sie verstehen können. Kurz gesagt, der Text muss sowohl originalgetreu als auch für das Zielpublikum leicht verständlich sein. Das am häufigsten verwendete LV-Verfahren umfasst zwei Vorwärtsübersetzungen und die Konsolidierung oder Harmonisierung dieser sowie einfache oder doppelte Rückübersetzungen und einen Überprüfungsschritt. Jeder dieser Schritte erfordert spezifisches Wissen und kann je nach Projekt und Inhaltstyp, auf den er angewandt wird auf eine etwas andere Weise ausgeführt werden. 

Klingt interessant! Wie wir wissen, stellen Life-Science-Übersetzungen eine besondere Herausforderung dar, wenn es um die Erstellung qualitativ hochwertiger Übersetzungen geht. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Unterschiede, die Sprachdienstleister zwischen Übersetzungen im Life-Sciences-Bereich und anderen technischen Übersetzungen beachten müssen?

Zunächst einmal kann eine fehlerhafte Übersetzung lebensgefährliche Auswirkungen haben. Aus diesem Grund werden bei Life-Science-Übersetzungen sehr hohe Anforderungen an die Genauigkeit und Lesbarkeit gestellt. Die Life-Science-Branche ist sehr stark reguliert und gibt strenge Richtlinien vor, wie Inhalte dargestellt und übersetzt werden sollen. Ich habe gehört, dass es für viele Sprachdienstleister schwierig ist, qualifizierte medizinische Übersetzer zu finden, die Erfahrung mit sprachlichen Validierungsprozessen haben und die Anforderungen an die Lesbarkeit verstehen. Da dezentrale Studien immer häufiger werden, sind Sprachdienstleister außerdem gezwungen, Technologien einzuführen, die die erforderlichen Prozesse unterstützen. Die meisten Übersetzungsmanagementsysteme (Translation Management Systems, TMS) unterstützen einige der komplizierten Arbeitsabufe wie die linguistische Validierung (LV) nicht vollständig. Für memoQ bedeutete dies sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance und führte dazu, dass wir unser TMS so entwickelten, dass es Unterstützung für LV-Workflows bietet. 

Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Faktor für die Auftraggeber von Übersetzungen in diesem Bereich?

Qualität ist mit Sicherheit die Grundvoraussetzung; alles andere ist unwichtig, wenn die Qualität nicht das entsprechende Niveau vorweist. An zweiter Stelle stehen dann die Sicherheit und die Durchlaufzeiten. Der Preis ist zwar schon auch immer ein Thema, aber zum Glück ist er bei Life-Science-Übersetzungen in der Regel nicht der ausschlaggebende Faktor. 

Nachdem Preisgestaltung, Datensicherheit und Durchlaufzeiten abgeklärt wurden: Gibt es irgendwelche Erfolgsgeheimnisse bezüglich Übersetzungen in der Life-Sciences-Branche, die Sie mit uns teilen können?

Es ist wichtig, über fundiertes Fachwissen zu verfügen und in der Lage zu sein, seine Kunden bei der Bewältigung der verschiedenen regulatorischen, datenschutzrechtlichen, logistischen sowie sprachlichen Herausforderungen zu unterstützen, die bei Übersetzungen in dieser Branche ständig auftreten. Ich würde mich auf jeden Fall wohler hlen, wenn ich mit einem Unternehmen zusammenarbeiten würde, das sich an Normen wie die ISO 13485 und ISO 18587 hält. Wie ich von Branchenexperten gehört habe, arbeiten viele Medizinprodukte-Hersteller nur mit Anbietern zusammen, die nach ISO 13485 zertifiziert sind. 

Erinnern Sie sich an einige Best Practices von Sprachdienstleistern oder Life-Sciences-Unternehmen für das Managen von Lokalisierungs- und Übersetzungsprojekten? 

Zu den wichtigsten Best Practices gehört meiner Meinung nach, die richtigen Leute nach einem klar definierten Verfahren in den richtigen Rollen innezuhaben. Zudem sind kontinuierliches Feedback und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, von entscheidender Bedeutung, um sowohl die eigene persönliche Entwicklung als auch die des Teams zu fördern. 

Welche Rolle spielt Ihrer Erfahrung nach Machine Translation (MT) bei Übersetzungen im Life-Sciences-Bereich? 

MT kann für eine Vielzahl von Life-Sciences-Bereichen eingesetzt werden, z. B. für die Übersetzung von Forschungsartikeln, die Überwachung von Social-Media-Kanälen auf Ausbruchsmuster und die rasche Übersetzung von Dokumenten im Rahmen des Pharmakovigilanzprozesses. MT wird auch von Life-Sciences-Unternehmen zur Übersetzung der firmeninternen Kommunikation verwendet. 

Natürlich ist die Implementierung von MT entscheidend, um mit der Lokalisierungsindustrie mitzuhalten... aber sehen Sie irgendwelche Risiken bei der Verwendung in der Life-Sciences-Branche? 

Die Risiken beim Einsatz von MT variieren je nachdem, wo und wie MT eingesetzt wird. Die Verwendung eines kostenlosen Tools wie Google Translate birgt zweifellos Sicherheits- und Qualitätsprobleme. Aber auch bei lizenzierten Tools, die stark individuell angepasst sind, kann es bei einigen Arten von Inhalten zu Problemen mit der Genauigkeit und Lesbarkeit kommen. So müssen beispielsweise Vorwärtsübersetzungen in linguistischen Validierungsworkflows sowohl genau als auch für die Zielgruppe gut lesbar sein. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die meisten MT-Engines selbst bei einer genauen Übersetzung nur begrenzt in der Lage sind, die Anforderungen an die Lesbarkeit für Laien in der Zielsprache und -kultur zu erfüllen. 

Werfen Sie einen Blick in die Kristallkugel: Was glauben Sie, was die Zukunft für diese Branche bereithält, insbesondere wenn es um die Übersetzung und Lokalisierung im Life-Sciences-Bereich geht? Vor allem in Anbetracht des Aufstiegs von ChatGPT... 

Nun, man sagt, "die einzige Konstante ist die Veränderung” und das sagt mir auch meine Kristallkugel. Es wird mehr Veränderungen geben, aber auch neue Möglichkeiten. In der Life-Sciences-Branche wird das Volumen der Inhalte weiterhin dramatisch ansteigen, da die Anzahl und die Art der klinischen Studien, die Anzahl und die Art der medizinischen Geräte, die Forschung, die Anwendungen von E-Health-Plattformen und das Wachstum bisher unterversorgter Märkte weiter zunehmen. Dieses Volumen stellt eine Herausforderung dar, die zumindest teilweise von der Technologie bewältigt werden wird. Ich glaube jedoch nicht, dass der Mensch im Übersetzungsprozess ersetzt werden wird! Ich denke, dass sich unsere Rollen ändern werden und wir die Technologie nutzen werden, um produktiver und effektiver zu arbeiten. 

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch mit uns genommen haben! 

 

» Wenn Sie mehr von Mark Shriner hören möchten, hören Sie hier in den memoQ-talks-Podcast rein. 

 

 

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Titelfoto © András Mayer

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