„Unwissen schützt vor Strafe nicht“. Dieser alte Rechtsgrundsatz gilt auch in Österreich. Insofern lohnt es sich, das Interview mit Jörg Ertelt, dem Gründer und Inhaber von HELPDESIGN • JÖRG ERTELT, zu lesen. Als Fachmann für technische und elektronische Dokumentation weiß er, worauf beim Einkauf von Übersetzungsleistungen aus rechtlicher Sicht geachtet werden sollte und wer im Ernstfall haftet.
Welche Rolle spielt das Thema Produkthaftung beim Übersetzungseinkauf im Allgemeinen?
Beim Einkauf wird der Samen gesät, der später im schlechtesten Fall als Schadenersatzklage aufgehen kann. Diese richtet sich dann in den meisten Fällen gegen den Hersteller eines Produkts. Der Hersteller haftet für seine Produkte, beispielsweise dann, wenn deren Fehlerhaftigkeit zum Personenschaden geführt hat. Personenschäden wie Tod, Verletzungen oder Gesundheitsschäden, können unter anderem durch Instruktionsfehler verursacht werden. Diese betreffen Produktanleitungen, beispielsweise die Betriebsanleitung für eine Maschine. Wenn wir im besten Fall davon ausgehen, dass die Original-Betriebsanleitung keine Instruktionsfehler enthalten hat, können diese bei der Übersetzung entstehen. Da kann es schon ausreichen, einen Übersetzer zu wählen, der zwar billig ist, aber nicht zwischen der technischen Drossel und dem Singvogel unterscheiden kann. In Abwandlung der Kaufmannsregel, wonach der Gewinn im Einkauf liegt, könnte man sagen, dass die Minimierung der Produkthaftung im Einkauf von Übersetzungsleistungen liegt. Dementsprechend sollte die Auswahl des Übersetzers nicht dem in der Regel fachfremden Einkauf überlassen werden.
Was bedeutet die CE-Kennzeichnung, die auf vielen Produkten zu sehen ist?
Dazu findet sich im Blue Guide (Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016) folgende Information: „Der Hersteller bestätigt mit der Anbringung des Zeichens auf eigene Verantwortung, dass das Produkt alle dafür erforderlichen wesentlichen Anforderungen der geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union erfüllt und die einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurden. Bei Produkten, die das CE-Zeichen tragen, wird angenommen, dass sie den geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entsprechen und somit am freien Warenverkehr auf dem europäischen Markt teilnehmen können.“
Was bedeutet die Übersetzung für die CE-Kennzeichnung?
Die Übersetzung ist von wesentlicher Bedeutung für die CE-Kennzeichnung. Das CE-Kennzeichen darf erst dann auf einem CE-kennzeichnungspflichtigen Produkt angebracht werden, wenn die Voraussetzungen für die CE-Kennzeichnung erfüllt sind. Eine von mehreren Anforderungen dafür ist, dass die Benutzerinformation in der Sprache des Landes vorliegt, in dem ein Produkt in Verkehr gebracht wird. Wenn also beispielsweise ein Produkt in Griechenland in Verkehr gebracht werden soll, muss die Benutzerinformation grundsätzlich in Griechisch vorliegen. Hat der Hersteller des Produkts die Benutzerinformation in Englisch verfasst, muss die Benutzerinformation übersetzt werden. Erst wenn die Übersetzung erfolgt, ist die entsprechende Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung erfüllt.
In welche Sprachen muss eine technische Dokumentation übersetzt werden?
Wenn es sich bei der technischen Dokumentation um Produktanleitungen für technische Produkte handelt, gilt der Grundsatz: Die Übersetzung muss in die Sprache des Landes erfolgen, in dem ein Produkt bereitgestellt wird.
Wie ist das, wenn ein Land mehrere Amtssprachen hat, z. B. Finnland, Belgien, Malta, Zypern, Irland?
Dann kommt es darauf an, von welchen Harmonisierungsrechtsvorschriften mit CE-Kennzeichnungspflicht ein Produkt erfasst wird. Handelt es sich bei dem Produkt um eine Maschine, ist der Sachverhalt klar geregelt gemäß Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Anhang I, Abschnitt 1.7.4 Betriebsanleitung: „Jeder Maschine muss eine Betriebsanleitung in der oder den Amtssprachen der Gemeinschaft des Mitgliedstaats beiliegen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird.“
„In der oder den Amtssprachen“: Das bedeutet, dass eine Betriebsanleitung für eine Maschine, die in Belgien mit seinen drei Amtssprachen in Verkehr gebracht werden soll, grundsätzlich in drei Sprachen verfügbar sein muss: Deutsch, Französisch und Niederländisch. Allerdings wird selten so heiß gegessen wie gekocht. Linderung verschafft der Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie in § 246 Die Amtssprachen der EU: „Einige Mitgliedstaaten mit zwei oder mehr Amtssprachen (Belgien, Finnland) erkennen die Verwendung nur einer bestimmten Sprache nur in den Gegenden an, in denen nur diese Sprache gesprochen wird. Es wird den Herstellern empfohlen, dies mit den zuständigen einzelstaatlichen Behörden abzuklären. Andere Mitgliedstaaten mit zwei Amtssprachen (Zypern, Malta und Irland) akzeptieren die ausschließliche Verwendung des Englischen.“
Hersteller, die Maschinen in Belgien bzw. Finnland in Verkehr bringen, sind also gut beraten, sich mit der zuständigen Behörde in Verbindung zu setzen. Wenn die Behörde grünes Licht für eine einsprachige Betriebsanleitung gibt, kann man sich die Übersetzungen in die anderen Amtssprachen sparen. Privatrechtlichen Regelungen zwischen Hersteller und Kunde mit dem Ziel, das Sprachenproblem vertraglich aus der Welt zu schaffen, ist aber eine Absage zu erteilen: Vertragliches Recht steht nicht über öffentlichem Recht.
Wer ist verantwortlich dafür, dass es eine Übersetzung gibt?
Alle Wirtschaftsakteure (Hersteller, Einführer, Händler und Bevollmächtigte) sind dafür verantwortlich, dass einem Produkt eine Benutzerinformation in der Sprache des Landes entweder beiliegt oder verfügbar gemacht wird, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird.
Damit will der Gesetzgeber gewährleisten, dass der Ausfall von Wirtschaftsakteuren durch das Einspringen anderer Wirtschaftsakteure kompensiert wird. Liefert der Hersteller eines Produkts keine Benutzerinformation, muss der Einführer oder Händler einspringen. Diese haben dann immer noch die Möglichkeit, die Einfuhr bzw. Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt ohne Benutzerinformation zu unterlassen oder auf eigene Kosten eine Benutzerinformation zu erstellen – in der richtigen Sprache wohlgemerkt.
Wer haftet für Fehler in der technischen Dokumentation?
Für eine fehlerhafte technische Dokumentation haftet grundsätzlich – aber nicht ausschließlich – der Hersteller eines Produkts. Eine typische technische Dokumentation ist die Betriebsanleitung zu einer Maschine. Ist die Betriebsanleitung nicht vorhanden, unvollständig, inhaltlich falsch oder ggf. nicht übersetzt, ist die Maschine (!) fehlerhaft. Dieser Umstand ist dem österreichischen Produkthaftungsgesetz (PHG) bzw. dem deutschen Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) geschuldet. Diese Rechtsnormen verknüpfen Produkte untrennbar mit der dazugehörigen Benutzerinformation durch folgende Aussage: Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann, z. B. in Bezug auf die Darbietung des Produkts. In unserem Beispiel ist mit Darbietung die Betriebsanleitung gemeint. Erfüllt die Betriebsanleitung nicht die Anforderungen an die berechtigten Sicherheitserwartungen, ist das Produkt, in diesem Fall die Maschine, fehlerhaft.
Laut beiden Rechtsnormen haften u. a. Hersteller für Schäden, z. B. Tod, Verletzung bzw. Gesundheitsschäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht werden. Das österreichische bzw. deutsche Produkthaftungsgesetz sind die jeweiligen nationalen Umsetzungen der europäischen Richtlinie 85/374/EWG über die Haftung für fehlerhafte Produkte.
Wer kann für die Übersetzungsfehler haftbar gemacht werden?
Die Antwort knüpft an die vorherige Frage an. Wenn die Betriebsanleitung zu einer Maschine Übersetzungsfehler enthält, die die berechtigten Sicherheitserwartungen an die Maschine nicht erfüllen, kann der Hersteller der Maschine – allerdings nicht ausschließlich – im Schadensfall aufgrund der Untrennbarkeit von Produkt und Benutzerinformation haftbar gemacht werden.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Übersetzer Mist übersetzen und die Füße hochlegen können. Sie bleiben zwar im Schadensfall zunächst unbehelligt – die geschädigte Partei ist in den meisten Fällen nicht darüber informiert, wer übersetzt hat. Der Hersteller wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach alles daransetzen, nicht auf dem Schadenersatz sitzen zu bleiben, den er dem Geschädigten ggf. leisten musste. Regress vom Übersetzungsdienstleister zu verlangen, ist dann ein möglicher Weg.
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Die im Text gewählten personenbezogenen Bezeichnungen sollen sich ausdrücklich auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen. Soweit im Text die männliche Form gewählt wurde, geschah dies aufgrund der besseren Lesbarkeit. Hintergründe zu unserer Entscheidung finden Sie in unserem Artikel So lebt MEINRAD das Thema Gleichberechtigung und gendergerechte Sprache.