Wer kein „Fachchinesisch“ spricht, tut sich beim Einkauf von Übersetzungsleistungen mitunter schwer, zu unterschiedlich sind die Verrechnungsmethoden und Leistungspakete. Hinzu kommt, dass der Preis kein Indikator für die Qualität ist. Es lohnt sich, genau zu prüfen, wie der potenzielle Übersetzungspartner arbeitet und was man für sein Geld bekommt – und was eben nicht. Damit Sie nicht Äpfel mit Birnen vergleichen müssen, erklären wir, was hinter dem „Fachchinesisch“ steckt.
Die Auswahl an Sprachdienstleistern und Übersetzungsbüros ist riesig. Angebote bei mehreren infrage kommenden Agenturen anzufordern kann sich lohnen. Aber: Augen auf beim Angebotsvergleich! Mit ziemlicher Sicherheit werden sich die Angebote, und vor allem auch die Preise, stark unterscheiden.
Die nackten Zahlen alleine sagen jedoch nicht viel aus. Es ist sinnvoll, genau zu überprüfen, was im jeweiligen Preis alles inkludiert bzw. vor allem nicht inkludiert ist. Denn diese nicht inkludierten Leistungen verursachen zusätzliche Kosten, an die man vorher gar nicht gedacht hat. Und so kann das scheinbar günstigste Angebot schnell zum teuersten werden. Aber wenn man das herausgefunden hat, ist es meistens schon zu spät.
Versteckte Kosten könnten etwa Zuschläge für Eilaufträge, Mindestpauschalen für wenig Text, Aufschläge für die Vor- und Nachbereitung der Dateien, die Pflege des Translation Memories oder für komplexe Dateiformate sowie Kosten für etwaigen technischen Support sein.
Daher sollte man sich ansehen, welche Leistungen im Zeilen-/Wortpreis enthalten sind. Da wäre zunächst die Frage: Ist der Preis für das Projektmanagement inkludiert? Mit der „Übersetzung“ alleine ist es nämlich nicht getan: Damit diese überhaupt erst zustande kommen kann, ist eine sorgsame Projektvor- und -nachbereitung durch einen Projektmanager nötig. Idealerweise ist dies immer derselbe Projektmanager. Dieser kennt dann alle Anforderungen und Besonderheiten.
Die nächste Frage: Arbeitet der Dienstleister mit einem CAT-Tool/Translation-Memory-System? Das ist heute eigentlich Standard und senkt die Übersetzungskosten bei höheren Volumina wesentlich, jedoch verlangen einige Agenturen zusätzlich Geld für die Dateivorbereitung und/oder die Pflege der Translation Memories.
Es lohnt sich auch, einen kritischen Blick zu machen, wer die Übersetzung anfertigt. Sind es professionelle Fachübersetzer mit langjähriger Erfahrung? Besteht bei längerfristiger Zusammenarbeit die Möglichkeit, fixe Stammübersetzer zu bekommen? Mit dem Übersetzer steht und fällt die Qualität der Übersetzung. Sind die Preise extrem niedrig, sollte man stutzig werden. Unter einem gewissen Preis (variiert je nach Sprache und Wohnland des Übersetzers) ist es schlichtweg nicht möglich, eine hochwertige, gewissenhafte Übersetzung anzufertigen. Hier stellt sich dann auch die Frage, ob eventuell „still und heimlich“ Machine Translation eingesetzt wird.
Es ist zwar richtig, dass vier Augen mehr sehen als zwei, dennoch gilt es bei Formulierungen wie „Übersetzung mit Endkontrolle nach 4-Augen-Prinzip“ zu hinterfragen, um wessen Augen es sich handelt. Wenn nach dem Übersetzer nämlich ein Projektmanager oder „weiterer Linguist“ die Endkontrolle macht, hat das mit einer echten Revision wenig zu tun. An sich ist diese Form der – meist computergestützten – Qualitätskontrolle nicht verwerflich, sie ist sogar üblich, nur sollten man sich darüber im Klaren sein, dass es sich um keine Revision nach ISO 17100 handelt, wo ein zweiter Fachübersetzer Ausgangs- und Zieltext miteinander vergleicht und auf Fehler überprüft. Wenn in einem anderen Angebot eine echte Revision im Preis inbegriffen ist (Achtung: Auch hier kann es Unterschiede geben: Erfolgt die Revision stichprobenartig oder wird wirklich der komplette Text redigiert?), ist der Preis dort in der Regel um einiges höher.
Arbeitet das Übersetzungsbüro mit CAT-Tools, kommen sogenannte „CAT-Grids” ins Spiel. Die durch Translation Memory-Systeme erzielbaren Einsparungen (diese werden im CAT-Grid genau aufgelistet) können in unterschiedlicher Weise an die Kunden weitergegeben werden. Auch hier gilt es zu prüfen, wie verrechnet bzw. welcher Rabatt gewährt wird.
In der Regel erfolgt die Berechnung nach Wörtern/Normzeilen in der Ausgangssprache. Einige Übersetzungsbüros ziehen aber auch die Zielsprache heran. Da viele Sprachen im Vergleich zum Deutschen oder Englischen länger sind, und somit in der Zielsprache ein Textzuwachs erfolgt, wäre bei einer solchen Verrechnung automatisch die Anzahl der Wörter/Normzeilen und somit der Endpreis höher.
Mehr zu diesen Fragen und deren Hintergründe finden Sie hier.
Es sind die scheinbaren Kleinigkeiten, an die oft nicht gedacht wird, und die später für hohe Kosten sorgen können. Durch eine sorgsame Prüfung der Angebote aber vor allem durch persönliche Gespräche kann man aber eine fundierte Entscheidung treffen und weiß, was man hinterher für sein Geld bekommt.
Die im Text gewählten personenbezogenen Bezeichnungen sollen sich ausdrücklich auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen. Soweit im Text die männliche Form gewählt wurde, geschah dies aufgrund der besseren Lesbarkeit. Hintergründe zu unserer Entscheidung finden Sie in unserem Artikel So lebt MEINRAD das Thema Gleichberechtigung und gendergerechte Sprache.
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