Übersetzungen im Bereich Medizintechnik, Pharmawissenschaften und Co stellen hohe Anforderungen. Nur qualifizierte und erfahrene Übersetzer sind in der Lage, präzise und einwandfreie Übersetzungen zu liefern. Christian Waldmann, Vendor Relations Manager bei MEINRAD, erklärt im Interview, was Life-Sciences-Übersetzer auszeichnet, worauf er bei der Auswahl achtet, welche Rolle Machine Translation in der Branche spielt und welche Trends er beobachtet.
VRM steht für „Vendor Relations Management“, also den Umgang mit und die Verwaltung der externen Dienstleister (Freelancer) und Partner eines Übersetzungsbüros. Diese externen Ressourcen liefern durch ihre Tätigkeit das eigentliche Produkt von Übersetzungsbüros: Übersetzungen. Sie sind somit neben dem Projektmanagement das Herzstück unserer Arbeit. Fehlt diese Komponente oder werden nur „schwache Ergebnisse“ geliefert, gerät das ganze Konstrukt eines Übersetzungsbüros ins Wanken. Demnach hat das Vendor Management bei MEINRAD auch eine zentrale Rolle.
Manche Übersetzungsbüros werben mit tausenden Köpfen in ihrem Dienstleister-Pool. MEINRAD verfolgt hier eine etwas andere Strategie und setzt ganz klar auf Qualität vor Quantität. Nur, wer seine Ressourcen kennt, mit ihnen im steten Austausch ist und regelmäßig mit ihnen zusammenarbeitet, kennt ihre Stärken und Schwächen und weiß, für welche Fachgebiete und Texte sie ein Händchen haben und wovon sie lieber die Finger lassen.
Der Vendor Manager bildet die zentrale Schnittstelle zwischen den Projektmanagern/Kundenbetreuern und den externen Übersetzern, kennt die sprachlichen und fachlichen Fertigkeiten der Übersetzer und kann für bestimmte Kunden gezielt und treffsicher den geeigneten Übersetzer auswählen. Das setzt eine ordentliche und vollständige Datenbank voraus.
Übersetzungsbüros sind zwar gut aufgestellt, doch Kunden benötigen immer wieder Sprachkombinationen oder Fachgebiete, die von den bestehenden Übersetzern nicht abgedeckt werden. In diesen Fällen macht sich der Vendor Manager auf die Suche. Zu seinen Aufgaben gehört es, den passenden Übersetzer zu finden. Und Übersetzer gibt es viele. Im Auswahl- und anschließenden Onboarding-Prozess wird die Spreu vom Weizen getrennt. Dafür werden ein geschultes Auge und profundes Wissen der Sprachindustrie benötigt, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. Welcher Bewerber bringt die nötige Fachexpertise zusätzlich zum gewünschten Sprachenpaar mit? Diese Grundvoraussetzungen werden mit Referenzen und Probeübersetzungen verifiziert.
Damit ist es aber noch nicht getan: Es folgen Gespräche und regelmäßige Feedbacks.
Im persönlichen Gespräch erhält man mitunter doch den besten Eindruck vom Gegenüber und lernt es kennen. So kann ich zum Beispiel ganz nebenbei herausfinden, wie kommunikativ der Dienstleister ist, und klären, wie offen er für Gespräche mit Projektmanagern und Endkunden ist. Es ist ja oft auch von unseren Kunden gewünscht, direkt mit ihnen bei Rückfragen oder im Zuge von Produktschulungen zu kommunizieren, weil sich so die Übersetzungsqualität noch einmal steigern lässt.
Bis Übersetzer sich dann im Dienstleister-Pool etablieren und unter den Projektmanagern einen Stein im Brett haben, kann es aber noch dauern. Auch Projektmanager greifen natürlich gerne auf Altbewährtes zurück. Vendor Manager versuchen dann gewissermaßen, die Neuankömmlinge „an den Projektmanager zu bekommen”, um eine ausgewogene Aufteilung und optimale Auslastung der Dienstleister zu gewährleisten. Denn nichts bringt Vendor Manager mehr ins Schwitzen als eine Kombination aus engen Deadlines und personellen Engpässen.
Gute Übersetzer sind für jeden Bereich und jedes Fachgebiet von entscheidender Wichtigkeit. Hat man keine guten Übersetzer, kann man als Übersetzungsbüro keine gute Qualität liefern und hat damit höchstwahrscheinlich keine zufriedenen Kunden. Die Übersetzung ist ja das Produkt eines Übersetzungsbüros. Wenn dieses Produkt mangelhaft ist, wird das Übersetzungsbüro am Markt nicht überleben bzw. aufgrund von mangelhafter Ware langfristig die Aufträge und Kunden verlieren. Der Life-Sciences-Bereich bringt natürlich ganz spezielle Anforderungen an Übersetzer mit sich. Die Fachbereiche Medizin und Medizintechnik zeichnen sich vor allem durch eine geringere Fehlertoleranz aus und fordern eine sehr hohe Benutzerfreundlichkeit der Texte, schließlich hängen Leib und Leben davon ab. Damit einher gehen für Unternehmen aus diesen Bereichen hohe Risiken, falls es aufgrund eines Fehlers zu einem Personenschaden kommen sollte.
Neben den von der ISO 17100 geforderten Kriterien sollten Übersetzer im Life-Sciences-Bereich zusätzlich zu ihrer sprachlichen Affinität einen entsprechenden medizinischen Background besitzen. Bei MEINRAD ist das nicht die Kür, sondern Pflicht. Denn: Wer zwei Sprachen spricht, ist noch lange kein Übersetzer. Im Dschungel der Fachtermini und des branchenspezifischen Jargons findet man sich ohne entsprechende Qualifikationen schlicht und einfach nicht zurecht.
Eine weitere Herausforderung ist die Weitläufigkeit des übergeordneten Begriffs Life Sciences. So finden sich darunter medizinische Geräte und Apparate, die ein kombiniertes Wissen aus Medizin und Technik erfordern, sowie Pharmaprodukte, bei denen ein erhöhtes Verständnis von Chemie vorausgesetzt wird. Der Bereich Life Sciences ist somit vielleicht sogar stärker interdisziplinär geprägt und mit anderen Fachgebieten verzahnt als andere Bereiche. Das macht auch die Bereitstellung geeigneter Übersetzer mitunter nicht so einfach.
Allen voran zählen hier Kriterien wie Erfahrungen, Schulungen und Qualifikationen. Es gibt bereits zahllose Aus- und Fortbildungen, die Sprachdienstleister gezielt auf den Life-Sciences-Bereich vorbereiten. Daneben können aber auch sprachunabhängig Kurse und Programme absolviert werden, die Einblick bzw. Ergänzung zum bereits vorhandenen Wissen schaffen. Wichtig ist hierbei nur, am Ball zu bleiben: Die Forschung und Entwicklung bringen stets Neuerungen. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, verpasst den Anschluss.
Die sprachliche Kompetenz ist das eine, die profunde fachliche Expertise im Bereich Life Sciences das noch viel Wichtigere. Was bei mir die Alarmglocken schrillen lässt, ist eine ellenlange Auflistung an unterschiedlichsten Fachgebieten. Wer sich von Elektrotechnik über Zahnmedizin bis hin zu Steuerrecht Experte nennt, ist entweder tatsächlich ein Genie oder kratzt vielfach nur an der Wissensoberfläche. Ich sage nicht, dass das unmöglich ist, allerdings sollte man als Vendor Manager hier skeptisch sein und lieber genau nachfühlen.
Nein, eigentlich nicht. Das Essentielle bzw. der Unterschied ist die Spezialisierung der Dienstleister. Ich prüfe die Erfahrung in den jeweiligen Fachgebieten samt Unterfachgebiet sowie die Angabe von Referenzen wie den bereits bestehenden Kundenstamm.
Meiner Meinung nach sind viele Life-Sciences-Unternehmen in Bezug auf Machine Translation eher vorsichtig und skeptisch, da die Übersetzungen wie gesagt heikel sind. Aber auch die Sorge um Datensicherheit spielt eine große Rolle. Hinzu kommt, dass viele MT-Engines Medizintechnik und andere sensible Bereiche ausschließen. Man kann als Übersetzungsbüro jedoch eine Ausnahmegenehmigung erhalten, wie MEINRAD sie von DeepL aufgrund der Kombination der ISO 18587- und der ISO 13485-Zertifizierung bekommen hat. Machine Translation ist im Life-Sciences-Sektor unserer Erfahrung nach auf jeden Fall einsetzbar, besonders bei weniger heiklen Textsorten – aber immer nur in Verbindung mit professionellem Post-Editing und eventuell sogar noch einer anschließenden Revision. Bei Texten, die sich direkt an die Kunden richten, ist aber der Workflow Übersetzung & Revision nach ISO 17100 unserer Empfehlung nach die sicherste Wahl.
Gerade während der letzten drei Jahre der Corona-Pandemie haben wir eine gewisse Krisenresistenz im Life-Sciences-Bereich feststellen können. Große Industriebetriebe schlossen im Lockdown ihre Tore, und weite Teile der Medizin und Medizintechnik blühten auf. Der Bedarf an qualitativ hochwertigen Life-Sciences-Übersetzungen wird immer größer. Das haben etliche Übersetzer erkannt und sich darauf spezialisiert.
Lange Zeit war der Life-Sciences-Bereich eine Tabuzone für die maschinelle Übersetzung. Dies beginnt sich langsam zu ändern. Maschineller Output wird verlässlicher, Terminologie kann integriert werden, und das finale post-editierte Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Wichtig ist nur, dass auf eine sichere Pro-Version zurückgegriffen wird, damit man seine Daten schlussendlich nicht frei im Internet wiederfindet. Künstliche Intelligenz ist – zumindest teilweise als Schreckgespenst – allgegenwärtig. Wer jedoch mit dieser Technologie umzugehen weiß, kann daraus meiner Meinung nach Vorteile ziehen – sowohl die Übersetzer als auch Übersetzungsbüros. Wenn letztere sich im Bereich Life Sciences etablieren wollen, ist aus meiner Sicht eine Zertifizierung nach ISO 13485 unabdingbar. Diese gewährleistet die völlige Nachvollziehbarkeit jedes einzelnen Schrittes in der Produktionskette, auch in der Übersetzungserbringung. Das bringt den Life-Sciences-Unternehmen und deren Kunden maximale Sicherheit und Klarheit.
Titelbild © Klara Miller