Der Einsatz von Machine Translation ist in der Übersetzungsbranche mittlerweile Alltag. Aber gilt das auch in „sensiblen” Branchen wie der Medizintechnik? Diese Frage haben wir MEINRADs CEO Eva Reiterer gestellt.
Ich denke für Übersetzungsbüros ist der Einsatz von Machine Translation nichts Neues mehr. Wir arbeiten seit rund fünf Jahren mit Machine Translation, haben ein eigenes Team, das sich um die Entwicklungen in diesem Bereich kümmert, sind nach der ISO 18587 zertifiziert und raten 85 % unserer Kunden zum Einsatz von Machine Translation und Full Post-Editing. Man kann fast schon sagen, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei Übersetzungen mittlerweile Standard ist. Es ist einfach ein weiterer Weg, der zu einer Übersetzung führt und für uns als Übersetzungsbüro schön, dass wir unseren Kunden ein weiteres Service-Level anbieten können.
Ja, das gilt auch für die Medizintechnik.
Wir kategorisieren den Einsatz von Machine Translation nämlich nicht nach Branche, sondern nach Textsorte. Hier eine kurze Liste von Textsorten, die für den Einsatz von Machine Translation geeignet sind:
In Medizintechnik-Unternehmen sind solche Textsorten genauso zu finden wie bei Software-Herstellern oder Maschinenbauern. Daher kann durchaus auch in der Medizintechnik Machine Translation und Full Post-Editing eingesetzt werden. Wir empfehlen dabei, in der Medizintechnik immer mit Revision nach ISO 17100 zu arbeiten. Somit bieten die Übersetzungen das höchstmögliche Level an Sicherheit.
Ja, DeepL zum Beispiel: In den AGBs der pro-license (bezahlte Version) unter Punkt 8.1.1 steht, dass DeepL nicht für die Erstellung von Übersetzungen in den Bereichen kritischer Infrastruktur, Militär- oder Verteidigungsanlagen und medizinischen Geräten verwendet werden darf. Es sei denn, DeepL hat dies ausdrücklich schriftlich genehmigt.
Hierbei kann ich nur von MEINRADs Genehmigung sprechen. Diese haben wir aufgrund unserer Zertifizierungen für Machine Translation (ISO 18587), Medizintechnik (ISO 13485) und Übersetzungsdienstleistungen (ISO 17100) erhalten. Diese Sondergenehmigung erlaubt es uns, aufgrund der ISO-konformen Qualitätssicherungsprozesse und des ausschließlichen Einsatzes von „Full Post-Editing”, Machine Translation und Post-Editing auch bei Kunden im Bereich Medizintechnik zu verwenden.
[lacht] Puh, eine ISO-Norm in einem Satz zusammenfassen? Na gut, ich versuche es. Ich denke, für unsere Kunden ist folgende Information die wichtigste: Die ISO 18587 gibt vor, dass das Ergebnis einer maschinellen Übersetzung mit anschließendem Full Post-Editing sich nicht von einer Humanübersetzung unterscheidet. Man sieht also, wie hoch der Qualitätsanspruch an die maschinelle Übersetzung und das menschliche Post-Editing ist.
Eben weil die Regeln so streng sind und die Ergebnisse einer Humanübersetzung gleichen müssen, kann nicht bei jedem Text Machine Translation eingesetzt werden. Die Maschine kann nur unter gewissen Voraussetzungen wirklich gute Ergebnisse liefern. Die Anforderungen an den Stil sind eine ganz andere Frage, für kreative Marketingtexte legen wir auf jeden Fall sogar Transcreation ans Herz. Es hängt also einerseits von der Textsorte ab, aber auch davon, wie der Text geschrieben ist. Man muss sich bei jedem Text aufs Neue die Frage stellen, ob der Text für Machine Translation geeignet ist. Und diese Frage können nur Experten beantworten – in unserem Fall sind das unsere Projektmanager mit Unterstützung unserer Übersetzer aus der ganzen Welt.
In der Medizintechnik geht es um Produkte, die direkte Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten haben. Das Risiko, dass jemand verletzt wird, ist dabei viel größer als bei den meisten Software-Produkten oder Maschinen. Für Medizintechnik-Unternehmen ist es von existenzieller Wichtigkeit, dass die Patientensicherheit höchste Priorität einnimmt.
Rechtlich gesehen muss der Hersteller im Schadensfall beweisen, dass er alles dafür getan hat, die höchstmögliche Qualität an seine Kunden zu liefern. Laut den Produkthaftungsgesetzen in Deutschland und Österreich ist im Falle von Fehlern in der Übersetzung oder in der technischen Dokumentation das ganze Produkt fehlerhaft. Zudem investieren Medizintechnik-Unternehmen sehr viel Geld in die Entwicklung ihrer Produkte (z. B. in klinische Studien). Da möchte natürlich niemand riskieren, dass das Produkt am Ende des Tages aufgrund eines unnötigen Übersetzungsfehlers fehlerhaft ist.
All unsere Qualitätssysteme, Arbeitsprozesse, Localization Engineers, Übersetzer und Projekt- und Qualitätsmanager sind genau auf diese Anforderungen ausgelegt und geschult. Man kann es durchaus eine Herausforderung nennen – für uns ist es genau jene Herausforderung, die wir suchen und lieben!
Titelbild: © Rene Knabl