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Gut Ding braucht mitunter Weile: Wie lang eine Übersetzung dauert

Geschrieben von Meinrad Reiterer | 25. September 2020

Deadlines bestimmen die Geschäftswelt. Abgabetermine und Erscheinungstermine beeinflussen auch die Zeit, die für Übersetzungen zur Verfügung steht. Manchmal sollten sie am besten „schon gestern“ fertig sein. Wie schnell es aber wirklich geht und von welchen Faktoren die Bearbeitungszeit abhängig ist, möchten wir näher erklären.

Die Dokumentation, die Werbebroschüre, die neue Software oder die Website, in die der Schweiß von Monaten geflossen ist, ist endlich fertig. Fehlt „nur“ noch die Übersetzung. Und für die ist manchmal recht wenig Zeit. Das ist nur verständlich! Als Übersetzungsagentur setzen wir gemeinsam mit unseren Übersetzern alle Hebel in Bewegung, um auch knappe Deadlines zu schaffen und die Übersetzung in der gewünschten Zeit anzubieten. Dennoch braucht eine qualitativ hochwertige Übersetzung, vielleicht gar mit anschließender Revision, eine gewisse Zeit. 

Wie lange dauert nun eine Übersetzung?

Es ist schwer, pauschale Zeitrahmen anzugeben, weil die Dauer von mehreren Faktoren abhängig ist. Wir möchten es trotzdem versuchen:

 

© MEINRAD

 

Angenommen Sie benötigen die Übersetzung einer einseitigen Word-Datei aus dem Deutschen ins Englische. Rechnet man sämtliche Prozessschritte mit ein, ist ein Liefertermin innerhalb von 24 Stunden nach Erhalt des Auftrages realistisch für eine nicht-dringende Übersetzung ohne Revision. Doch es ist eher selten der Fall, dass es sich nur um ein einseitiges Word-Dokument handelt, das lediglich in eine (noch dazu gängige) Sprache übersetzt wird. Und dann fängt es an, schwieriger zu werden, was Pauschalangaben betrifft, weil die Übersetzungsarbeit an sich nur die Spitze des Eisbergs ist. Beginnen wir am Anfang:

Das moderne Übersetzungsbüro

Ein Übersetzungsbüro schickt die Dateien heutzutage nicht mehr eins-zu-eins so, wie es sie von den Kunden erhalten hat, direkt an die Übersetzer weiter, diese schicken sie fertig übersetzt zurück und das Ganze geht retour an den Kunden. In einem modernen Übersetzungsbüro wird mit CAT-Tools gearbeitet und bevor der Text beim Übersetzer „landet“, bereitet der zuständige Projektmanager alles für eine reibungslose Übersetzung vor. Je nach Dateiformat und Textmenge dauern diese Vorbereitungsarbeiten unterschiedlich lange, von wenigen Minuten beim oben genannten Beispiel bis hin zu mehreren Stunden oder sogar Tagen. So werden beispielsweise pdf-Dateien zunächst konvertiert und nachbearbeitet, was zumeist einen nicht unerheblichen Zeitaufwand bedeutet. 

Nach dem Import der Dateien ins CAT-Tool, der Vorübersetzung mit dem Translation Memory und dem Erstellen der Wortanalyse können im nächsten Schritt die passenden Übersetzer angefragt werden. Je mehr Sprachen ein Projekt umfasst, desto zeitintensiver sind die Vorbereitungsarbeiten für den Projektmanager.

Die Übersetzer

Bis alle Rückmeldungen der Übersetzer vorliegen, vergeht wiederum ein wenig Zeit. Als Freiberufler haben Übersetzer mitunter keine so starren Arbeitszeiten wie Angestellte und natürlich haben sie auch ein Privatleben und sind nicht permanent vor dem Computer. Es gibt unter ihnen genauso Frühaufsteher und Nachteulen, sie haben Kinder und Familie, manche sind zusätzlich als Dolmetscher im Einsatz, sie machen Erledigungen und sind außer Haus – kurzum: es kann ein wenig dauern, bis sie sich melden und einen Auftrag bestätigen.

Die meiste Zeit des Jahres sind Übersetzer gut gebucht und entsprechend mit Aufträgen eingedeckt. Das heißt, wenn eine neue Anfrage hereinkommt, arbeiten sie gerade an laufenden Projekten. Nicht immer ist es daher möglich, dass sie sofort mit dem eben angefragten Projekt beginnen können. Viele Übersetzer legen dann eine Sonderschicht ein und lassen alles stehen und liegen, um dem Kunden doch helfen zu können und knappe Deadlines zu ermöglichen. Bei Absagen hingegen muss sich der Projektmanager wieder auf die Suche nach einem neuen Übersetzer machen. 

Sprache und Zeitzone

Wie schnell ein Kunde eine Übersetzung bekommt, hängt weiters von der Sprache/den Sprachen ab. Bei gängigen Sprachen kann das Übersetzungsbüro in der Regel auf viele freiberufliche Übersetzer (oder gar auf In-house-Linguisten) zurückgreifen. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass eine zeitnahe Übersetzung erfolgen kann. Ein weiteres Kriterium ist die Zeitzone. Für manche, meist exotische Sprachkombinationen, gibt es nur wenige Übersetzer in einer Fachrichtung. Häufig liegen ihre Heimatländer in anderen Zeitzonen. Da hilft dann leider oft nur warten, bis der Übersetzer wach ist. 

Die Übersetzung an sich

Wenn ein Übersetzer dann tatsächlich am Werk ist, schafft er grob zwischen 2000-3000 Wörter am Tag. Maßgebliche Faktoren sind hier wie „übersetzungsfreundlich“ der Ausgangstext ist und die Erfahrung des Übersetzers im jeweiligen Fachgebiet bzw. mit den Texten des jeweiligen Kunden. Einfache Fließtexte gehen schneller von der Hand als rechercheintensive Fachtexte mit speziellem Vokabular oder zusammenhanglose Oberflächentexte von Software. Übersetzt ein Übersetzer schon jahrelang für einen Kunden, kennt er die Terminologie wie seine Westentasche und ist entsprechend schneller. 

Mit Revision?

Einen weiteren Punkt stellt eine eventuell gewünschte Revision dar. Diese ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt. Bei einer Revision nach ISO 17100 überprüft ein zweiter Übersetzer die Übersetzung unter Berücksichtigung des Ausgangstextes. Hier ist also eine weitere Person im Spiel, die ebenso vom Projektmanager koordiniert wird. Und auch hier ist es in der Praxis in der Regel so, dass der Revisor nicht in der Minute, in der der Übersetzer fertig ist, schon mit seiner Arbeit beginnt. Für eine Revision, auch wenn das schaffbare Wortpensum höher ist als beim Übersetzen, muss also eine gewisse Zeit einkalkuliert werden.

Endkontrolle durch den Projektmanager

Nachdem der Übersetzer (und der Revisor) seine Arbeit mit der notwendigen Sorgfalt und fachlichen Expertise getan hat, ist wieder der Projektmanager am Zug. Nach dem computergestützten Qualitätscheck exportiert der Projektmanager die Dateien aus dem CAT-Tool und unterzieht die finalen Dateien einer Sichtprüfung. Dabei werden, je nach Kundenwunsch, kleinere Layoutanpassungen vorgenommen oder auch umfangreiche Kontrollen. Erst danach werden die Übersetzungen an den Kunden geschickt.

Bei all diesen zu berücksichtigenden Faktoren wundert man sich nun vielleicht nicht mehr, wenn ein Projektmanager auf die Frage „Wie lange dauert eine Übersetzung?“ kurz zögert und dann sagt: „Das kommt darauf an…“.

 

Die im Text gewählten personenbezogenen Bezeichnungen sollen sich ausdrücklich auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen. Soweit im Text die männliche Form gewählt wurde, geschah dies aufgrund der besseren Lesbarkeit. Hintergründe zu unserer Entscheidung finden Sie in unserem Artikel So lebt MEINRAD das Thema Gleichberechtigung und gendergerechte Sprache.

Titelbild: © Storyblocks