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Hieronymustag: Warum wir jeden Tag stolz sind, Übersetzer zu sein

Geschrieben von Meinrad Reiterer | 26. September 2019

Übersetzen ist mehr als das Verwandeln einer Sprache in eine andere: Es verbindet Nationen und schafft die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Nicht umsonst also wird uns am 30. September ein Tag gewidmet. Zu diesem Anlass möchten wir auf dessen Bedeutung aufmerksam machen und uns vor Augen führen: Was wäre die Welt eigentlich ohne Übersetzer?

Die Bedeutung von Übersetzungen

Weltweit werden derzeit über 6500 verschiedene Sprachen gesprochen. Fremdsprachenkenntnisse in Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Deutsch sind relativ weit verbreitet, doch mit vielen asiatischen und arabischen Sprachen sieht es schon ganz anders aus. Ob im Alltag, zum Beispiel bei Bedienungsanleitungen, Kinofilmen, Serien, Sachbüchern und Co., in globalen politischen Angelegenheiten, bei internationalen Geschäftspartnerschaften oder in Ländern wie Belgien, Schweiz und Kanada, in denen es mehr als eine offizielle Landessprache gibt: Übersetzungen umgeben uns überall, prägen seit Jahrhunderten Sprache und Kultur und sind unerlässlich für das Zusammenleben auf persönlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene.

Der Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, VdÜ, beschreibt die Wichtigkeit der Übersetzung mit folgenden Worten:

„Wo immer gesprochen, geschrieben, gelesen, ja selbst gesungen wird, hatten und haben Übersetzer*innen ihre Hand im Spiel, und ihnen verdanken wir es, dass die ganze Welt in der eigenen Sprache aufgehoben ist. Ihre Arbeit hat die Voraussetzung für die Entwicklung von Kultur und Wissenschaft, aber auch für die Entwicklung der Volkssprachen geschaffen und nicht zuletzt für die Möglichkeiten des vereinigten Europas und der heutigen globalisierten Welt.”

Das steckt hinter dem Hieronymustag

Um genau auf diese Bedeutung von Übersetzungen und Übersetzern aufmerksam zu machen, hat die UN am 24. Mai 2017 den 30. September zum internationalen Übersetzertag erklärt. Zuvor führte die internationale Übersetzerorganisation FIT (Fédération Internationale des Traducteurs) den Weltübersetzertag ein, um die Leistungen von Dolmetschern und Übersetzern weltweit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

Im deutschsprachigen Raum wird der internationale Übersetzertag auch „Hieronymustag” genannt. Der Name geht zurück auf den Todestag des Kirchenvaters Hieronymus im Jahre 420 n. Chr. Er übersetzte das Alte und Neue Testament aus dem Hebräischen bzw. Griechischen ins gesprochene Latein. Dieses welt- und lebensverändernde Ereignis in der Bibelübersetzung machte Hieronymus zum Schutzheiligen und Patron der Übersetzer und Dolmetscher. Nicht umsonst also wird Hieronymus als einer der wichtigsten Sprachgelehrten der alten Kirche angesehen. Doch auch darüber hinaus hinterließ Hieronymus der Nachwelt zahlreiche bedeutende Werke als Autor und Übersetzer. So verfasste er beispielsweise unzählige Kommentare zu biblischen Schriften, editierte eine Landeskunde Palästinas und übersetzte neben dem Alten und Neuen Testament weitere theologische Schriften.

Unsichtbare Künstler

„Die Weltliteratur", so drückte der portugiesische Schriftsteller und Nobelpreisträger Saramago es einmal aus, „wird von Übersetzern gemacht." Shakespeare-Übersetzungen von Schlegel und Tieck gaben der deutschen Bühnenkunst beispielsweise unverzichtbare Impulse und haben den Gedanken der Aufklärung in der ganzen Welt verbreitet. Die Übersetzung von Dramen zeigt anschaulich die Bedeutung der Übersetzer für ein Werk, das, je nach Übersetzung, unterschiedlich interpretiert und verstanden werden kann.

Im Theater wird der Übersetzer daher oft explizit im Programmheft genannt. Das ist jedoch eher die Ausnahme: Denn obwohl Übersetzer seit jeher Sprache, Zusammenleben und Kultur prägen, gibt es nur wenig bekannte Übersetzer. Oft nehmen Übersetzer die Rolle der stillen Kreativen hinter den Texten ein. Die meisten Leser vergessen beim Aufschlagen eines übersetzten Buches oder beim Einschalten einer Serie, dass nicht nur ein, sondern zwei Künstler an dem Werk beteiligt waren. Der internationale Übersetzertag soll genau das ins Gedächtnis rufen und auf die unsichtbaren Künstler, deren Arbeit, Forderungen und Bedeutung aufmerksam machen.

Die Welt ohne Übersetzer

Denn wer sich fragt, welche Relevanz Übersetzer heute noch haben, sollte sich an den letzten Serien-Marathon erinnern und die andauernde Diskussion im Freundeskreis, was nun besser ist: Das Original oder doch die übersetzte Synchronisierung? Und auch im Theater sind Übersetzungen nach wie vor ein aktuelles Thema. Denn viele Formulierungen mögen sich zwar vornehm anhören, sind jedoch kaum zeitgemäß – ein Grund, weshalb Übersetzungen von Dramen noch immer, oder gerade jetzt, boomen.
Weiter gedacht schaffen Übersetzer Verbindungen zwischen Ländern, Menschen und sogar Gefühlen. Eine Heirat zwischen zwei Menschen, die unterschiedliche Muttersprachen sprechen, wäre ohne Übersetzer beispielsweise kaum möglich.
Auch internationale Geschäftsbeziehungen würden an der Sprachbarriere scheitern, Arbeitsplätze verloren gehen und fremde Kulturen und Länder für viele ein ewiges Mysterium bleiben.

Übersetzer mit Stolz

Mit dem internationalen Übersetzertag wird der große Beitrag der professionellen Übersetzung für die Vernetzung von Nationen, zur Friedensförderung, zum gegenseitigen Verständnis und zur gesellschaftlichen Entwicklung anerkannt und gewürdigt. Der Hieronymustag wird mit zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen mit unterschiedlichen Mottos gefeiert. Für uns ist der Hieronymustag ein Anlass, noch stolzer auf den Beruf und die Tätigkeit zu sein, die wir jeden Tag mit Leidenschaft und Freude an der Arbeit ausüben.

 

Die im Text gewählten personenbezogenen Bezeichnungen sollen sich ausdrücklich auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen. Soweit im Text die männliche Form gewählt wurde, geschah dies aufgrund der besseren Lesbarkeit. Hintergründe zu unserer Entscheidung finden Sie in unserem Artikel So lebt MEINRAD das Thema Gleichberechtigung und gendergerechte Sprache.