Die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind dabei, die Landschaft der Übersetzungsbranche grundlegend zu verändern. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT wurde eine Diskussion über seine Anwendungsmöglichkeiten und sein Potenzial für den Übersetzungsbereich entfaltet. Und diese Anwendungsbereiche sind vielfältig – doch auch ChatGPT gerät an seine Grenzen, wodurch geschulte Fachübersetzer und Post-Editoren nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Lokalisierungsprozesses sind. Tauchen Sie ein in die Welt der faszinierenden KI und erfahren Sie mehr über diese Balance zwischen Mensch und Maschine.
Beinahe jeder kennt mittlerweile ChatGPT – die KI-Systemart, die im Jahr 2022 von der US-Organisation OpenAI veröffentlicht und der breiten Masse zugänglich gemacht wurde und seitdem für viel Gesprächsstoff sorgt. Wahrscheinlich sind die meisten bereits mit ChatGPT in Berührung gekommen, sei es, um es aktiv zur Textgenerierung zu nutzen (z. B. um eine schnelle Zusammenfassung für einen langen, akademischen Text zu erhalten) oder einfach nur, um auszuprobieren, was die KI denn nun alles kann. Mehr als 100 Mio. Menschen verwenden ChatGPT pro Monat, Tendenz steigend.
ChatGPT ist ein Chatbot, der auf Künstlicher Intelligenz basiert. Er kann sowohl Fragen beantworten als auch Anweisungen befolgen und geht mit dem Nutzer eine direkte, interaktive Kommunikation ein. So könnte man ihn beispielsweise nach der meistgesprochenen Sprache in Kanada fragen, ihn aber auch bitten, gleich ein Gedicht mit vier Versen darüber zu verfassen. Das würde dann wie folgt aussehen:
Mit ChatGPT kann man ein Gespräch über beinahe jedes Thema führen. Je konkreter man seine Aussagen bzw. Anweisungen formuliert, desto spezifischer werden auch ChatGPTs Antworten, die so natürlich klingen, als stammten sie von einem Menschen.
GPT steht für „Generative Pretrained Transformer“ – dabei handelt es sich um ein Sprachmodell, das auf Machine Learning basiert. Durch sogenanntes Deep Learning wurde ChatGPT mit riesigen Mengen an Textdaten aus dem Internet trainiert, um die Muster und Strukturen der natürlichen Sprache zu erlernen. So ist es ChatGPT möglich, Texte zu verfassen, die aus syntaktischer Sicht kaum von Texten, die von Menschen verfasst wurden, zu unterscheiden sind. Da ChatGPT ein „generatives“ Sprachmodell ist, generiert es selbstständig Texte, indem es das wahrscheinlich nächste Wort in einer Sprachsequenz vorhersagt.
ChatGPT wurde – anders als neuronale Übersetzungssysteme wie DeepL oder Google Translate – nicht für den Übersetzungszweck entwickelt. Allerdings kann es dennoch Texte übersetzen, wenn man ihm die Anweisung dazu gibt. Nun stellt sich an dieser Stelle aber die Frage nach der Qualität der von ChatGPT angefertigten Übersetzungen. Hier haben wir als allererstes bei der Quelle selbst nachgeforscht und ChatGPT um eine Einschätzung zu seinen Übersetzungsfähigkeiten gebeten:
„ChatGPT kann für Übersetzungen verwendet werden und liefert oft akzeptable Ergebnisse. Es ist wichtig zu beachten, dass seine Fähigkeit, präzise Übersetzungen zu liefern, von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich der Komplexität des Textes, des Kontexts und der Sprachpaare. Während es für allgemeine Übersetzungen und den alltäglichen Gebrauch nützlich sein kann, ist es möglicherweise nicht immer die beste Wahl für spezialisierte oder hochtechnische Übersetzungen.
Zur Erzielung genauerer Ergebnisse ist es oft ratsam, maschinell generierte Übersetzungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, insbesondere wenn es um komplexe oder fachspezifische Texte geht. Es wird empfohlen, dass kritische Übersetzungen von Fachleuten oder spezialisierten Übersetzungssoftware durchgeführt werden, um eine höhere Genauigkeit und Qualität zu gewährleisten.“
ChatGPT hat also eine sehr realistische und kritische Meinung zu seinen eigenen Übersetzungsfähigkeiten. Es gibt an, akzeptable Übersetzungsergebnisse liefern zu können, betont aber auch, dass die Qualität dieser sehr von verschiedensten Faktoren abhängen kann, wie z. B. von der gewünschten Sprachkombination und der Komplexität des Ausgangstextes. Weiters erwähnt es, dass es ratsam sei, ein anschließendes Post-Editing durchführen oder die Übersetzung direkt von einem geschulten Fachübersetzer anfertigen zu lassen. Hier deckt sich ChatGPTs Meinung also mit MEINRADs Meinung, dass die Ergebnisse von maschineller Übersetzung immer von einem Post-Editor überprüft werden sollten.
Auch wenn ChatGPT (zumindest zum momentanen Zeitpunkt) nicht die erste Wahl für maschinelle Übersetzungen an sich ist, hat es dennoch Potenzial dafür, im Texterstellungs- und Übersetzungsprozess zu unterstützen. Im Konkreten kann ChatGPT bei den folgenden Aspekten helfen:
In Anbetracht der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT im Texterstellungs- und Übersetzungsprozess offenbart sich eine interessante Dynamik. ChatGPT hat zwar seine Grenzen in der maschinellen Übersetzung (und erkennt diese auch), eröffnet aber durch seine unterschiedlichen Anwendungsbereiche neue Perspektiven in der Übersetzungsbranche und kann – richtig eingesetzt – dafür sorgen, dass Prozesse effektiver und effizienter gestalten werden. Dennoch bleibt eine Tatsache erhalten: Das Hinzuziehen von Fachübersetzern wird auch in Zukunft unabdingbar bleiben.
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