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Connecting Systems: Unser Experte für Automatisierung durch Schnittstellen im Interview

Geschrieben von Meinrad Reiterer | 4. Februar 2021

Als Localization Engineer ist es Ben Millers Aufgabe, einen reibungslosen Übersetzungsprozess sicherzustellen. Der Technikfreak ist auch der Ansprechpartner bei MEINRAD, wenn es um das Programmieren von Schnittstellen geht. Im Interview spricht Ben über die Voraussetzungen, den Ablauf und die Herausforderungen bei der Realisierung von Schnittstellen.

Du hast dich im Jahr 2020 intensiv mit dem Thema Schnittstellen beschäftigt – was genau hast du gemacht?

In meiner Tätigkeit als Localization Engineer kümmere ich mich seit vielen Jahren um alle technischen Angelegenheiten rund um den Übersetzungsprozess. Ziel ist es, den Übersetzungsprozess für unsere Kunden reibungslos zu gestalten und dahingehend zu optimieren, dass der gesamte Ablauf möglichst effizient ist. Hier spielen automatische Anbindungen, die sich durch Schnittstellen realisieren lassen, eine große Rolle. Sie gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Schnittstellen haben enormes Potenzial im Übersetzungsprozess, weil sich durch die Automatisierung Zeit und Geld sparen lassen und auch Fehler durch Copy-and-Paste werden minimiert. Um unsere Kunden bestmöglich zu unterstützen, habe ich mich im Jahr 2020 intensiv mit dem Thema Schnittstellen beschäftigt und mich im Programmieren weitergebildet. Die Herausforderung ist, dass es den Kurs „Schnittstellen-Einrichten für das Übersetzungsmanagement“ nicht gibt, das heißt, man muss hier ein wenig ausweichen und sich allgemeiner weiterbilden. Am meisten lernt man schlussendlich aber in der Praxis. Denn jede Schnittstelle ist einzigartig und bringt neue Herausforderungen mit sich.

Welche Herausforderungen meinst du?

Es gibt viele verschiedene Quellsysteme. Bei manchen wurde in der Entwicklung schon die Lokalisierungstechnik berücksichtigt, sprich, sie haben ein multilinguales Konzept und beziehen den Übersetzungsprozess schon mit ein. Für solche Systeme ist das Programmieren einer Schnittstelle wesentlich einfacher, als wenn das Quellsystem diesen multilingualen Ansatz nicht hat. Da steht man dann schon vor einer großen Baustelle, was aber nicht heißt, dass man dann nichts machen kann. Es erfordert nur mehr Arbeit auf beiden Seiten.

Beiden Seiten – wen meinst du damit?

Ich setze die Schnittstelle ja nicht alleine um. Der Kunde ist Experte in seinem System, wir als Übersetzungsbüro in unserem. Manches muss er auf seiner Seite umsetzen, und manches wir auf unserer Seite. Das heißt aber nicht zwingend, dass das ein Mitarbeiter des Unternehmens sein muss. Diese Aufgabe kann auch ein externer Experte übernehmen wie beispielsweise eine Werbeagentur, die die zu übersetzende Website verwaltet.

Welche Voraussetzungen gibt es für die Einrichtung?

Auf technischer Seite ist die Voraussetzung das Vorhandensein zweier Systeme: das Quellsystem auf Kundenseite und das Übersetzungssystem auf Seite des Übersetzungsbüros. Das Quellsystem kann ein Redaktionssystem sein, ein Redaktionstool wie MadCap Flare, ein Dateimanagement- oder Versionskontrollsystem usw. – kurzum jedes System, womit zu übersetzender Text erstellt und verwaltet wird. Vereinfacht gesagt müssen diese beiden Systeme dann dazu gebracht werden, miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. Und dafür braucht man Schnittstellen, die zwischen den Systemen vermitteln. Die beiden Systeme müssen zunächst einmal die Möglichkeiten bieten und gewisse Funktionen zur Verfügung stellen, zum Beispiel den grundlegenden Export und Import von Dateien.

Auf personeller Ebene ist die Voraussetzung, dass es auf beiden Seiten eine zuständige Person mit dem nötigen Know-how gibt.

Wie kann man sich die Umsetzung einer Schnittstelle vorstellen, was sind die einzelnen Schritte?

Zu Beginn werden in Gesprächen die Erwartungen, Wünsche und Anforderungen definiert sowie die Zuständigkeiten und der Zeitrahmen geklärt. Auch muss genau besprochen werden, was die Schnittstelle leisten soll und wie die Übersetzungsaufträge sein werden. Wenn jeder Übersetzungsauftrag gleich ist, zum Beispiel sollen immer Word-Dateien in fünf definierte Sprachen mit Revision übersetzt werden, ist das einfacher, als wenn unterschiedliche Dateiformate in unterschiedliche Sprachen, einmal mit und einmal ohne Revision und vielleicht auch noch teilweise mit In-Country Review gewünscht werden.

Wenn das Service-Design-Level geklärt ist, geht es ans Eingemachte und ich und der Experte auf Kundenseite machen uns an die Arbeit. Danach stehen umfangreiche Tests am Programm. Hier ist es sehr empfehlenswert, wenn man nicht in der realen Softwareumgebung testet, sondern in einer Testinstanz, denn kleinere und größere Fehler sind beim Programmieren im wahrsten Sinn des Wortes vorprogrammiert. Und wenn diese ausgemerzt sind, ist es geschafft.

Läuft das Programmieren einer Schnittstelle immer gleich ab?

In den Grundzügen natürlich schon, vor allem, wenn die Systeme dieselben sind. Aber jede Schnittstelle ist einzigartig und je nachdem, was realisiert werden soll, werden individuelle Lösungen programmiert. Im Endeffekt ist also jede Anbindung maßgeschneidert.

Wie lange dauert die Umsetzung einer Schnittstelle?

Das ist schwer pauschal zu beantworten und man muss die reine Arbeitszeit von der Umsetzungszeit unterscheiden. Es arbeite ja nicht nur ich an der Schnittstelle, sondern auch der Zuständige auf Kundenseite, und das keine 8 Stunden am Tag durchgehend. Je nach System und Anforderungen kann die Umsetzungsdauer von wenigen Wochen bis mehrere Monate betragen. Den Zeitrahmen bespricht man aber immer im Vorfeld mit dem Kunden.

Grob gesagt hängt der Aufwand vom verwendeten Quellsystem und den Anforderungen ab. Bei so genannten Off-the-shelf-Systemen ist schon ganz viel Vorarbeit von den Programmherstellern geleistet worden, da funktioniert die Realisierung dann schneller. Ein Beispiel dafür wäre Wordpress. Bei selbst programmierten Systemen oder stark an die Bedürfnisse des Unternehmens angepassten Systemen hingegen nimmt das viel mehr Zeit in Anspruch, einfach deshalb, weil man viel mehr selbst programmieren muss.

Ist eine Schnittstelle heute für Unternehmen, die Übersetzungen benötigen, schon ein Muss?

Nein, natürlich nicht. Das Einrichten einer Schnittstelle sollte gut überlegt sein. Der Initialaufwand kann, je nach System, schon sehr hoch sein. Im besten Fall rechnet sich diese Investition sehr schnell, nämlich dann, wenn man regelmäßig viel zu übersetzen hat. Aber eine Schnittstelle macht wenig Sinn, wenn man nur alle paar Wochen eine Datei übersetzt braucht. 

Für wen macht dann eine Schnittstelle Sinn und was sind die Vorteile?

Wie schon gesagt rechnet sich eine komplexe Schnittstelle erst ab einem gewissen Volumen. Die Gewinne aus einer Schnittstelle sind Zeit (weniger Aufwand im Übersetzungsmanagement; schnellere Turnaround-Times) und dementsprechend auch bares Geld. Neben der eingesparten Zeit können vom Übersetzungsbüro durch die höheren Volumina häufig Volumenrabatte gewährt werden.

Neben einer kostenintensiveren „heißen Schnittstelle“ gibt es aber noch andere Möglichkeiten, beispielsweise das Einrichten eines überwachten Ordners. Hierauf haben das System des Kunden und das System des Übersetzungsbüros Zugriff, was einen automatisierten Dateienaustausch ermöglicht. Hierbei handelt es sich um eine einfache Form der Automatisierung, die aber das Dateimanagement wesentlich effizienter und bequemer macht. Sozusagen die Lightversion unter den Schnittstellen.

Inwiefern wird das Dateimanagement effizienter und bequemer?

Das Übersetzungsdatei-Management wird dadurch erleichtert. Der Kunde kann in seinem gewohnten System arbeiten und muss die Dateien nicht per Mail verschicken oder sich in einem Portal anmelden und dort Aufträge anlegen. Er kann direkt aus seiner Software-Umgebung Übersetzungen in Auftrag geben. Wenn es intern bereits Automatisierungsprozesse gibt, kann man mit einem solchen überwachten Ordner viel erreichen.

 

 

Die im Text gewählten personenbezogenen Bezeichnungen sollen sich ausdrücklich auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen. Soweit im Text die männliche Form gewählt wurde, geschah dies aufgrund der besseren Lesbarkeit. Hintergründe zu unserer Entscheidung finden Sie in unserem Artikel So lebt MEINRAD das Thema Gleichberechtigung und gendergerechte Sprache.

Titelbild: © MEINRAD